Interview mit Stefan Tarara und Benjamin Engeli

Ihr bespielt im Juni den Hans Huber-Saal im Stadtcasino Basel und den Grossen Saal im Florhof Zürich. Was spricht Euch an Schumanns Klavierquintett in Es-Dur und dem Streichquartett in F-Dur am meisten an?

Benjamin: Das Schumann-Quintett ist ein Wurf! Es wurde in nur 5 Tagen komponiert und hat eine ungeheure Energie und Verve. Es ist wirklich wie aus einem Guss, und man muss sich nur mitreissen lassen. Darin unterscheidet es sich von fast allen anderen Klavierkammermusik-Werken von Schumann – faszinierend!

Stefan: Die Frische und Freude an gerade diesen beiden Werken sind Merkmale, die ich sehr schätze. Und selbstverständlich bringt das Klavier im Quintett seine eigene Klangfarbe in die Musik rein, die neue, einzigartige Möglichkeiten im Zusammenspiel ermöglicht! 

Und was macht am meisten Spass?

Stefan: Ich freue mich besonders auf das Zusammenspiel vom Klavierpart mit dem Streich-Quartett und insbesondere mit unserem fantastischen Pianisten Benjamin Engeli! Es ist immer eine ausserordentliche Freude, mit einem mehrstimmigen Instrument zusammen zu spielen – die grundlegende Polyphonie bringt so viele Möglichkeiten für uns Streicher, noch mehr Facetten in der Musik auszuschöpfen und somit ein einzigartiges Ganzes erschaffen zu können.

Benjamin: Ich liebe es, wenn die fünf Instrumente zu einem orchestralen Ganzen verschmelzen. Das passiert in diesem Stück in allen Sätzen immer wieder.

Was ist für Euch speziell an den beiden Konzertorten?

Benjamin: Beide Orte haben in meiner Studienzeit eine wichtige Rolle gespielt, da ich zunächst in Basel und dann in Zürich studiert habe. Im Casino Basel habe ich damals natürlich viele inspirierende Konzerte erlebt, und in Zürich dann vor allem auch viel selbst gespielt – in Klassenabenden oder auch bei meinem Solistendiplom. Es ist immer wieder schön, in diese Säle zurückzukehren!

Stefan: Beide Säle sind Orte von Welt und meiner Meinung nach verbindet sie zu aller erst die Schönheit der Säle. Das Stadtcasino Basel wie auch der grosse Saal des Konservatoriums Zürich sind äestethische Meisterwerke, in denen man einfach wunderschön musizieren kann. Dass die Akustik auch phänomenal ist, ist natürlich selbstredend – trotzdem begeistern mich an diesen Orten sogar noch mehr deren Glanz.

Benjamin, Du trittst regelmässig zusammen mit dem StradivariQuartett auf. Was verbindet Euch?

Benjamin: Mittlerweile haben wir wirklich schon viel gemeinsam musiziert. Ich schätze die Zusammenarbeit enorm, weil sie so unkompliziert ist und das Quartett so gut aufeinander eingespielt ist. Bei aller Genauigkeit in den Proben ist doch immer eine gewisse Leichtigkeit und viel Humor mit dabei, das finde ich grossartig.

Die Konzerte in Basel und Zürich markieren das Ende Deiner ersten Saison beim StradivariQuartett, Stefan. Wie war die Saison für Dich und was verbindet Euch?

Stefan: Ich kann mit grosser Sicherheit behaupten, dass dieses Jahr durch das StradivariQuartett eines der schönsten meines Lebens war. Das Musizieren mit meinen Kolleg:innen ist ein absoluter Traum und ich kann mich nicht glücklicher schätzen, in diesem wunderbaren Quartett mitspielen zu dürfen! Uns verbindet eine gemeinsame Idee, Musik zu machen und zusammen zu atmen. Daher denke ich auch, dass man unsere Spielfreude aus dem Blickpunkt des Publikums gut mitfühlen kann – und letztendlich ist es ja das, was wir vermitteln möchten: Musik verbindet, setzt Gefühle frei und berührt. Und genau das verbindet uns im Quartett.

Wie setzt Schumann das Klavier ein, für welche Ideen benutzt er es?

Benjamin: Das Klavier ist Schumanns ureigenes Instrument, er setzt es eigentlich für alles Erdenkliche ein und erforscht damit jeden Winkel seiner inneren Stimme. Im Quintett ist die spezielle Herausforderung, eine gute Mischung zu finden zwischen solistischem Auftreten und klarem Führungsanspruch, dann aber auch wieder ganz bescheidenem Zudienen und Legen eines Klangteppichs im Hintergrund. Dieser Rollenwechsel passiert schnell und häufig.

Und die zweite Geige?

Stefan: Schumann spielt sehr oft mit den Rhythmen. Nachschläge, «echte» Schläge, die letztendlich immer noch wie Nachschläge wahrgenommen werden, Über-Bindungen aller Art – auf eine gewisse Art möchte Schumann immer wieder, dass die zweite Geige ein bisschen «störend» unterwegs ist, sich eben nicht anpassend miteinbindet. Dann wiederum ist sie aber in den grossen melodischen Linien die perfekte Unterstimme zur ersten Geige, wo beide Instrumente zu einem harmonischen Klangkörper verschmelzen. Gegensätzlicher könnte es also kaum mehr sein.

Was erwartet das Publikum ganz konkret bei den Konzerten?

Benjamin: Wenn ich das in Worte fassen könnte, bräuchten wir die Konzerte vielleicht nicht mehr zu geben. (schmunzelt) Ich freue mich jedenfalls, dieses mit Energie überbordende Werk mit dem StradivariQuartett zum Klingen zu bringen.

Stefan: Ich denke, dass unsere Konzerte des StardivariQuartetts immer voller Lebensfreude, Ausdruckskraft und eben «Musik» als Ganzes sind. Das Publikum darf sich auf abwechslungsreiche, intensive und farbenfrohe Musik freuen – ein Genuss!

Schumanns Musik wird oft als Achterbahn der Gefühle beschrieben. Durchlebt Ihr diese Achterbahn der Gefühle bei einem Konzert auch? Und wie geht es Euch dabei?

Benjamin: Es wäre mein Ziel, dass ich die Gefühle – ähnlich wie ein Schauspieler – auch miterlebe. Je besser ich ein Werk kenne, umso mehr gelingt mir dies. Aber es gibt natürlich immer eine ganze Menge an Details, die meine Kontrolle verlangen: pianistische Schwierigkeiten, Zusammenspiel, Balance, Umgang mit dem Instrument, Akustik etc. Da kann es gefährlich werden, ganz loszulassen.

Ein Satz heisst «Scherzo». Wie zeigt sich der Humor?

Benjamin: Dass der dritte Satz mit Scherzo überschrieben ist, hat vor allem historische Gründe – es war einfach üblich, vor dem Finale noch einen schnellen Satz in einem Dreiertakt einzuschieben. Schon bei Beethoven gibt es Scherzi, die überhaupt nicht lustig sind. Aber passend zur insgesamt heiteren Stimmung des Werks ist auch dieser dritte Satz des Quintetts voller Fröhlichkeit und Energie.

Stefan: Auch hier wieder: Schumann spielt wirklich gerne mit den Rhythmen. Gerade der angesprochene Satz fängt schon gar nicht auf der ersten Zählzeit an, man bekommt aber recht schnell als Zuhörer:in dieses Gefühl für einen geraden Puls – nur um dann wenige Takte später daran erinnert zu werden, dass der vorgegebene Puls gar nicht der Realität entspricht. Man wird praktisch immer wieder «aus der Bahn geworfen» – für uns Musiker:innen im Übrigen genau gleich, weswegen diese Musik ja auch so schwer zu spielen ist. Das ist aber eben sein Humor, er spielt durch die verschiedenen Pulse mit unser aller Gefühle. Es gibt den berühmten englischen Satz von Oscar Wilde: «expect the unexpected» – ich denke dieser ist hier eindeutig Programm.

Wie sieht für Euch ein gelungenes Konzert aus?

Benjamin: Es gibt eigentlich zwei Aspekte: In erster Linie möchte ich dem Publikum etwas mitgeben: eine Erlebniswelt, die sich nicht in Worte fassen lässt und die auch für jeden und jede anders ist. Ich liebe beispielsweise diese Momente der Stille und Konzentration, die sich im Konzert manchmal ergeben. Davon zehre ich oft, und ich bin dankbar, wenn ich die Zuhörenden auf diese Weise berühren kann. Der zweite Aspekt ist eher auf einer persönlichen Ebene und hat nichts mit dem Publikum zu tun: wenn es gelingt, die Schwierigkeiten eines Konzerts zu meistern und ich eintauchen kann in die Gefühlswelt der Kompositionen. Wenn beides zusammen gelingt, kann ich danach ruhig schlafen.

Stefan: Zusammen spielen, zusammen atmen und nach dem Konzert zusammen feiern. Wenn alles «zusammen» kommt, wird’s einfach magisch! Und genau das liebe ich so sehr am StradivariQuartett – wir sind ein Team in allen Lebenslagen. Was so selbstverständlich klingt, dem ist auf professioneller Bühne gar nicht so oft zu begegnen; da werden gerne mal viele Persönlichkeiten zusammengewürfelt, die nicht so wirklich zusammengehören und die neben der Bühne kein einziges Wort tauschen. Dass wir uns auch ausserhalb der Konzerte so gut verstehen und uns bei allem gegenseitig helfen – das ist schon magisch, und genau das hört man dann auch beim Musikmachen. Wenn das alles zusammenkommt, haben wir alle ein gelungenes Erlebnis!